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Shoppingtour

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mit Vorliebe online shoppe. Das hat verschiedene Gründe. Abends auf der Couch quengelt mir kein Kind ins Ohr, läuft davon, betatscht und begrapscht alles, braucht ein Klo, will ein Spielzeug haben oder findet Kleidung probieren langweilig. Ich brauche die Kinder erst gar nicht anziehen und ins Auto packen, keine Tasche mitschleppen, mit dessen Inhalt wir drei Tage in völliger Abgeschiedenheit überleben könnten, ich brauche keinen Parkplatz suchen und bezahlen.

Dennoch war ich vor kurzem mit meiner Mutter shoppen. Die Kinder habe ich dem Mann aufs Auge gedrückt und dann sind wir nachmittags in die City. Wir brauchten Kleider für einen festlichen Anlass. Da sind wir penibel, da wollen wir den Stoff sehen und fühlen, die Qualität vorab prüfen. Außerdem fallen die Größen bei Abendkleidern so unterschiedlich aus, dass es ohne Anprobieren nicht geht.

Im einschlägigen Bekleidungsgeschäft in der Deggendorfer Einkaufspassage Degg's stehen wir in der entsprechenden Abteilung und blättern durch die Abendgarderobe. Während sich meine Mutter durchprobiert, bin ich damit beschäftigt, die Kleider wieder auf ihre Bügel zu hängen und zurückzubringen. Während ich gerade an zwei Aufhängern rumfummele, tritt meine Mama aus der Kabine: "Das ist es! Aber ich glaube, ich probiere noch eine andere Größe!" Ich luge auf das Etikett, renne zum Ständer und muss ihr leider melden: "Das oder keins, das gibt es nur noch in dieser Größe!" Eine Verkäuferin muss her, um uns zu unterstützen... und um den restlichen Kleiderhaufen aufzuräumen.

Wir gehen in den den anliegenden Abteilungen auf die Pirsch. Da! Da ist eine vorbeigeflattert! Auf leisen Sohlen verfolgen wir sie. Nur mühsam unterdrücke ich ein lockendes "Puttputtputt!" Aber sie entwischt uns. Sie bediene gerade jemand anderen, gurrt sie. Aber wir könnten ja die Kleider alle zur Umkleide neben ihrer Kundschaft tragen, dann würde sie uns nebenbei beraten. Wie zuvorkommend. Ich frage mich, wer hier wen bedient und welche Rollen dem Kunden und der Verkäuferin zukommen. Unverrichteter Dinge gehen wir zurück. Meine Mutter dreht sich vor dem Spiegel. Gerade als wir davon überzeugt sind, dass die Größe genau die richtige ist und sie das Kleid nimmt, flirrt die Verkäuferin vorbei. Ein kurzer Blick, Beratung Fehlanzeige. Gerade so piepst sie ein "Das Kleid steht Ihnen gut!" hervor. Im August einen Blazer dazu? Ach, iwo! Da ist es doch eh heiß! Genauso wie im Geschäft, weswegen sie wohl nicht bis zu den Blazern laufen will, um einen passenden zu holen. Dafür entreißt sie uns den Kleiderbügel mit der Robe, sie dürfe das Kleid doch zur Kasse bringen? Heftet schnell ihre Provisionskarte an und weg ist sie. Und plötzlich wurden wir vom Jäger zur erlegten Beute. Wir sehen uns an und schütteln den Kopf. Wir trösten uns damit, ein schönes Kleid gefunden zu haben.

Zu dem es auch noch Schuhe braucht. In dem Geschäft, das nur jeweils einen Schuh im Laden stehen hat, hoffen wir auf eine freundliche Bedienung. Immerhin kann man hier ohne Bedienung ja gar nicht kaufen. Jede von uns probiert etwa 7 linke Schuhe. Irgendwann lässt sich meine Mutter auf einen Stuhl plumpsen und sagt recht laut: "Jetzt bräuchte man halt eine Verkäuferin, die den zweiten Schuh bringt!" Wir lauschen in die Stille des Schuhdschungels hinein. Wir sehen ein paar Verkäuferinnen grasen, doch dem Blickkontakt weichen sie geschickt aus. Ich wechsele unter den kritischen Blicken meiner Mutter den Schuh. Glitzer gegen Vernunft? Keine leichte Entscheidung. Meine Mutter räuspert sich: "Gibt es hier auch eine Verkäuferin?" Das Spiel geht ein paar Mal so weiter, als ich schlussendlich eine holen wollte, waren sie alle verschwunden und perfekt getarnt. Wieder nichts. Wir ärgern uns und lassen etwa 15 Schuhe auf dem Gang stehen.

Am Abend bestelle ich vier Paar Schuhe online zur Anprobe, zu denen mir passende Handtaschen und Blazer vorgeschlagen werden. Außerdem könnte mir doch auch noch diese schnuckelige Tunika gefallen und wie wäre es mit diesen Jeans dazu? Als ich auf "Kostenpflichtig bestellen" klicke, bin ich mir ganz sicher, dass es einzig und allein am Onlinehandel liegt, wenn die Einzelhändler in den Innenstädten Umsatzeinbußen erleiden. An den Verkäuferinnen kann es schließlich nicht liegen. Die sind ja gar nicht da.

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