Direkt zum Hauptbereich

Kochen für Kinder

"Was hast du denn heute schon wieder gekocht?" Missmutig rutscht Zwergnase auf seinen Stuhl und zieht die Nase kraus. "Das schmeckt mir bestimmt nicht!", sagt er und lässt den Blick über seinen Teller wandern. Dann verschränkt er die Arme vor der Brust, ich presse die Lippen aufeinander. "Kann ich nicht bei Oma essen?" Ich lege meine Gabel ab, da spaziert glücklicherweise Oma zur Tür herein, die heute bei uns isst.

Sogleich verkündet Zwergnase ihr sein Leid: "Schau Oma, was SIE heute wieder gekocht hat!" Doch Oma ist meine Rettung. "Oh, lecker Milchreis!", ruft sie ihrerseits aus, setzt sich und beginnt zu essen. Zwergnase schiebt seinen Reis beleidigt mit dem Löffel auf seinem Teller herum. Mir entgeht sein Grinsen nicht, als sogar seine Schwester den Reis wieder mit der Zunge nach draußen schiebt. Die isst sonst eher so in Richtung Staubsauger. Nämlich alles.

Natürlich helfen die alt bekannten Diskussionen gar nichts. Man könnte freilich einen Löffel probieren, aber wozu, wenn man doch vorher schon weiß, dass man ihn nicht mag? Klar wären die hungernden Kinder in Afrika froh um den Milchreis. Sie wissen ja nicht, wie er schmeckt. Ich gebe auf. Biete Zwergnase an, ihm noch etwas anderes zu kochen. Rührei vielleicht oder einfach Nudeln mit Brokkoli, seine Leibspeise. Doch nun bockt er. "Das kannst du schnell vergessen! Ich esse nie wieder was! Nie!"

Von wegen Kindergericht. Wer hat eigentlich beschlossen, was Kinder gerne essen? Zwergnase scheint das nicht zu wissen. Nudeln mit Tomatensoße, Knödel mit Soße, Pfannkuchen, Pfannkuchensuppe, warme Wiener, Pudding - es gibt kaum ein Kinderessen, das Zwergnase noch nicht verschmäht hat. Er bevorzugt nämlich puristische Trennkost. Nudeln, Kartoffeln und Reis bitte ohne alles. Das Fleisch scharf angebraten, ebenfalls ohne alles. Als Gemüse allenfalls Brokkoli gegart, ansonsten bitte Rohkost in Form von Gurken, Paprika und Tomaten, ab und an Kopfsalat. Soße nur nach eingehender Untersuchung, frei von Gemüse und nur von dunkelbrauner Farbe. Aber ja nicht mit Beilage und Fleisch mischen! Da ist man schnell an den Grenzen der Abwechslung angelangt.

Oma kann über meine Sorgen nur lächeln und beginnt zu erzählen, wie sie mich nachmittags vom Kindergarten abgeholt hat, die Erzieherin zutiefst bestürzt, weil das Kind, also ich, bestimmt sehr hungrig sei. Sie hätten alles versucht, aber ich wollte den Apfelstrudel nicht einmal probieren. Heute ess' ich vom Apfelstrudel doch hin und wieder ein Stück, aber nicht so gerne, dass ich mir schon jemals einen selbst gekocht hätte. Im Gegensatz zu Bohnensalat, Endivien, Rote Bete, Stinkekäse, Meeresfrüchte, Lüngerl, roten Pressack, Fenchel, Muscheln, Schokopudding, Bananeneis, Cracker und warme Wiener. Ach... Ich glaube, morgen gibt es Nudeln und gebratenes Fleisch.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Willi, der kleine Weihnachtsbaum

Willi freut sich. Er reckt jeden seiner Äste von sich und schüttelt die Schneeschicht ab, die sich über Nacht wie Puderzucker über seine Zweige gelegt hat. Jeder soll sehen können, was für eine prächtige Nordmanntanne er ist. Er ist der perfekte Weihnachtsbaum. Es ist der Tag vor Heilig Abend. Heute lernt er die Familie kennen, mit der Willi das Weihnachtsfest verbringen darf, da ist er sich sicher. Schon stapft Bauer Heinrich zu dem Metalltor des kleinen Christbaumverkaufs. Er löst die schwere Kette und schiebt das Tor weit auf. Einige Autos warten schon und fahren auf den Parkplatz. Sie sind bunt wie Christbaumkugeln. Willi überlegt, in welchem Auto er mitfahren wird. Vielleicht in dem blauen? Oder in dem grünen? Er kann es kaum erwarten, mit roten und goldenen Kugeln geschmückt zu werden. Wird er eine Spitze oder einen Stern als Krone aufgesetzt bekommen? Willi fühlt schon die Geschenke, die von unten an seinen Zweigen kitzeln und wie sich seine Lichter in den Augen der Kinder spieg...

Oma in der Pflicht?

Auf Einer schreit immer erschien kürzlich ein Gastbeitrag darüber, dass man sich als Mutter Unterstützung von der Oma wünschen würde, die aber ihr Leben in vollen Zügen genießt, sich im Fitnessstudio und auf Reisen herumtreibt, während die Working Mum sich wie im Hamsterrad aus Beruf, Haushalt und Kindererziehung fühlt. Früher sei das ganz anders gewesen. Früher hätten Omas gestrickt und mit dem Enkel auf der Parkbank sitzend Vögel gefüttert. Ich glaube, hier ist jemand dem "Früher war alles besser"-Irrglauben aufgesessen. Zumindest trifft das gezeichnete Bild der Märchen-Oma nicht auf meine eigenen zu. Diese waren jünger als Zwergnases Omas jetzt und auch noch selbstständig. Demnach musste meine Mutter den Alltag mit zwei Kindern auch alleine stemmen. Meine Omas waren da, wenn Not am Mann war oder wenn meine Eltern eben einmal ausgehen wollten. Ich glaube aber nicht, dass sich meine Mutter gewünscht hätte, dass ihre Mutter und ihre Schwiegermutter sich in ihren Hausha...

Timing ist alles

Es gibt immer einen Grund, keinen Sport zu machen. Der aktuelle Wetterbericht macht es einem zusammen mit den hoch präzisen Prognosen des Regenradars da ziemlich leicht. Als ich um 10 Uhr aus dem Fenster sehe, scheint die Sonne, am fernen Horizont sind ein paar Wölkchen zu sehen. Ich ahne es bereits, so kündigt sich der meteorologische Weltuntergang an. Ich trinke sicherheitshalber noch einen Cappuccino und verschiebe meinen Spaziergang auf die postapokalyptischen Stunden des Tages. Sicher ist sicher. Um 13 Uhr wirbelt der wüstentrockene Blütenstaub auf dem Balkon in kleinen Mini-Tornados von links nach rechts und wieder zurück, der Wind treibt regenschwere, schwarze Wolken vor sich her. Zufrieden mit meiner Entscheidung nippe ich an meinem Weihnachtstee mit Glühwein-Aroma und beobachte das nicht stattfindende Spektakel. Erwartungen sind des Glückes Tod. Gegen 16 Uhr checke ich erneut das Regenradar. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei enttäuschenden 40 Prozent, selbst die Wolken si...