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Schöne Bescherung

Es gibt Tage, an denen sollte man es vermeiden, einen Arzt zu benötigen. Weihnachten zum Beispiel oder überhaupt die Zeit zwischen den Jahren, wenn die Welt im Winterschlaf versinkt und alles auf Sparflamme läuft. Mir schwante also nichts Gutes, als ich Weihnachten mit einem stechenden Schmerz im rechten Arm aufwachte, der mir die Tränen in die Augen schießen ließ.  Ich konnte entweder stehen oder liegen, aber sitzen war unmöglich. Da half auch kein Schmerzmittel aus Omas Giftschrank. Ich musste zum Bereitschaftsdienst ins Klinikum Deggendorf, sonst würden die Feiertage die Hölle auf Erden.

Der diensthabende Orthopäde bejahte meine Befürchtung eines Bandscheibenvorfalls mit starkem Akzent, spritzte mir ein Schmerzmittel und schickte mich mit drei erbettelten Ibus nach Hause. Von der Notaufnahme würde ich auch nichts anderes erhalten, erklärte er mir auf Nachfrage. Er könne mich nicht einmal röntgen. Der Hausarzt würde ein MRT veranlassen und dann sähe man weiter. Na toll. Mein Hausarzt war aber im (wohl verdienten) Weihnachtsurlaub und auch dann würde ich erst in zwei, drei Monaten einen MRT-Termin bekommen. Gut, dass Omas Hausapotheke so gut bestückt war.

Gleich am Morgen nach den Feiertagen versuchte ich die Vertretung meines Hausarztes zu erreichen, sowie auch die Vertretung des Orthopäden. Bei letzterer ging niemand ans Telefon und es gab auch keine Bandansage. Der Anrufbeantworter der Vertretung des Hausarztes sprang nach zwei Stunden an und verwies mich an eine weitere Vertretung. Die Praxis selbst könne aufgrund eines technischen Problems keine Patienten behandeln. Na toll. Zum Glück war der junge Arzt in Grafling trotz seines aus allen Nähten platzenden Wartezimmers gut gelaunt und nahm sich trotzdem Zeit. Er versorgte mich soweit mit Medikamenten, dass ich bis zur Rückkehr meines Hausarztes zumindest mit erträglichen Schmerzen über die Runden kommen würde. Ich putzte, streckte mich, war den ganzen Tag in Bewegung. Nur so waren die Schmerzen halbwegs erträglich. Was war ich froh, als es zu schneien begann und ich mit den Kindern nach draußen konnte. Vielleicht... vielleicht würde es dann so richtig schnackeln im Kreuz und die Schmerzen wären weg. Ich schaufelte die Einfahrt frei, fühlte mich gut und stark und war für zwei Stunden schmerzfrei - und dann wurden meine Finger taub.

Als ich erneut vor der Anmeldung im Krankenhaus stand, checkte ich dieses Mal in der Notaufnahme ein. Ich glaube, ich erzählte den Ärzten meinen Schmerzverlauf an die zwanzig Mal, bis sie alles verstanden hatten. Dann nochmal dreimal der jungen ausländischen Ärztin, die die Anamnese üben sollte und noch fast kein Deutsch sprach. Während ich da so lag und mir nach dem Röntgen eine Infusion endlich schmerzfreie Momente gönnte, fragte ich mich, wieso es für Deutsche trotz hervorragenden Notendurchschnitts nicht genügend Studienplätze für Medizin gab und man sich dann über den Ärztemangel wunderte. Aber wahrscheinlich war es wieder einmal eine Frage des Geldes. Ausländische Ärzte sind günstiger und man muss seine Universitäten nicht mit Geld und Material ausstatten.

Und wenn wir schon beim Geld sind, kann man das Pflegepersonal gleich dran hängen. Sowohl vor als auch nach meiner OP wurde ich geradezu liebevoll versorgt. Trotz all der Arbeit und so manch schwierigem Patienten blieben die Schwestern und Pfleger immer freundlich und hatten immer ein offenes Ohr - wie ich es auch schon von der Entbindungsstation kenne. Warum das Pflegepersonal am Klinikum allgemein einen eher schlechten Ruf hat, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Nur eins ist sicher. Pflegeberufe sind eindeutig für ihre geleistete Arbeit unterbezahlt.

Überhaupt hatte ich während der ganzen Sache das Gefühl, dass zwar alle beteiligten Personen überaus bemüht waren, aber die Finanzen letztendlich darüber entscheiden, was möglich ist... Willkommen im Gesundheitssystem der ersten Welt.

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