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S'Gscheidhaferl

Das Ziel der Kindererziehung besteht darin, den Sprössling so fit für die Welt zu machen, dass er ohne Mami und Papi überleben kann. Goldlöckchen wird demnächst ausziehen. Nach nur guten eineinhalb Jahren haben wir das Ziel erreicht. Sie kann den Haushalt führen und sich selbst versorgen. Sie verfügt über eine ausgesprochen gute Problemlösungskompetenz, die an Einfachheit und Effizienz nicht zu übertreffen ist. 

Schon morgens sucht sie sich fachmännisch die Kleidung für den Tag aus, dabei kennt Goldlöckchen keine Kompromisse. Danach kümmert sie sich um ihre alten und gebrechlichen Eltern, denen sie die Socken nachträgt, bis Mama und Papa ordnungsgemäß gekleidet sind. Als dann stellt sie die Hocker für sich und den Bruder ans Waschbecken und schiebt eben diesen ins Bad zum Zähneputzen. Wahlweise zieht sie ihn auch an der Hand. Sie legt ihren Schnuller ab und schiebt sich die Ärmel zurück. Sie weiß, wie der Hase läuft und quietscht energisch, wenn man sich ihr in den Weg stellt. Widerrede zwecklos. Ohne Goldlöckchen geht gar nichts. Man ist unfähig, die Wäsche zu Waschen, die Spülmaschine auszuräumen und mit Vorliebe putzt sie einem hinterher. 

Goldlöckchen kommt gar nicht auf die Idee, dass sie vielleicht zu klein sein könnte. Geht nicht, gibt’s nicht! Und so schleppt sie Hocker durch die Wohnung, mit deren Hilfe sie in ungeahnte Höhen aufsteigen kann, um das ein oder andere Spielzeug zu erwischen, das der große Bruder in Sicherheit wähnte oder Türen zu öffnen, die eigentlich geschlossen bleiben sollten. Der Küchenstuhl wird an die Arbeitsfläche geschoben, denn jetzt ist es Zeit für den Abwasch. Sich füttern zu lassen, kommt überhaupt nicht in die Tüte. Goldlöckchen weiß, was sie will und das sagt sie sehr deutlich - ohne ein Wort zu sprechen. Sie wird sich schon durchschlagen, unsere Hilfe will das Gscheidhaferl ja nicht.

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