Halb zehn in Deutschland. Erste Pause. Genüsslich packe ich mein Sandwich vom Bäcker aus. Ein Ciabatta-Brötchen mit einem Salatblatt, Schinken und Käse, Gurke und Tomate. Irgendwo zwischen den Lagen wurde das ganze fett mit Remoulade gepolstert. Nach und nach trudeln meine Kolleginnen ein. Ich sehe von einer zur anderen. Vor jeder steht eine große Wasserflasche. Vor jeder steht ein kleines Plastikschüsselchen zu Aufbewahrungszwecken. Inhalt ähnlich. Rohkost-Salate, geschnippeltes Gemüse oder Obst. Wenn man Glück hat, findet sich noch irgendwo ein Becher Naturjoghurt. Aber nur der, der keinen zusätzlichen Zucker hat. Man tauscht sich aus, welcher Joghurt geeignet ist. Es werden die verschiedenen Abnehmstrategien erörtert. Eine Kollegin setzt auf Kohlenhydratverzicht. Erste Erfolge bereits deutlich sichtbar. Ich beiße in mein Sandwich. Die Remoulade tropft wie in Zeitlupe auf den Tisch. Ich hoffe, dass das kleine Platsch nicht zuviel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich kenne meine Kolleginnen noch nicht so lange, scheine aber hier auf eine Fitness-Crew getroffen zu sein. Mit meinem Sandwich in der Hand und meiner sportlichen Moral eines ausgewachsenen Couch-Potato fühle ich mich unwohl. Ja, ich sollte doch irgendwie mehr für mich tun. Wie die das alle so durchziehen. Während ich nochmal vom Sandwich abbeiße, denke ich über Gruppendynamiken nach. Unauffällig wische ich die Brösel vom Tisch auf und lasse sie samt meiner Bäckertüte im Müll verschwinden. Ich sollte in Zukunft mein Sandwich noch im Auto essen, um hier nicht unangenehm aufzufallen. Sicher ist sicher.
Viertel nach elf in Deutschland. Zweite Pause. Das Wetter ist hervorragend. Richtiges Sommerwetter! Eigentlich könnte ich mir ja dann mal das erste Eisdieleneis des Jahres gönnen, aber ein paar Babypfunde müssten ja auch noch runter... und irgendwie muss man in dieser Frauenrunde ja mithalten. Ich nehme mir vor, mein Schlank-im-Schlaf-Programm wieder durchzuziehen. Jawohl. Nächste Woche habe ich auch ein Plastikschälchen dabei! Plötzlich, völlig unerwartet dringt das Gespräch zu mir durch. Wie jetzt? Es geht um Eisdielen? Spaghetti-Eis? Die Streusel aus weißer Schokolade sind ja das beste? Das Spaghetti-Eis bei soundso sei aber ungenießbar? Wie? Jeden Nachmittag ein Spaghetti-Eis? Beim Griechen letztes mal vollgefressen? Und dann trotzdem noch ein Eis? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Und bekomme Hunger auf Spaghetti-Eis. Vielleicht ist das eine besondere Diät? Brigitte oder so? Oder bin ich im falschen Raum? Das sind doch die Kolleginnen von vorher? Oder? Aber ich bin beruhigt. Jetzt kann ich auch mitreden und empfehle gleich mal eine Eisdiele und einen Griechen...
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