Ich werde vom Geklapper des Geschirrs geweckt. Ich muss darüber lächeln, wie meine beiden Männer über die Anordnung des Frühstücks auf dem Tablett streiten. Wie Zwergnase ganz stur die Semmel immer wieder auf den Teller und Papa sie zurück in den Korb legt. Die Kühlschranktür öffnet und schließt sich mehrmals. Die Marmeladengläser klirren gegeneinander. "Und jetzt", verkündet Zwergnase, "jetzt wecken wir Mama auf!" Papa trägt dem Scheppern nach das Tablett recht unsicher ins Schlafzimmer. Er flucht immer wieder leise, weil Zwergnase ihm vor den Beinen herumtanzt. Tapp, tapp, tapp. Natürlich stelle ich mich schlafend, als Zwergnase neben mir flüstert: "Mama! Aufstehen! Heute ist doch Muttertag!"
Ich recke und strecke mich oskarreif und tue ganz überrascht. Zwergnase bekommt ein Küsschen und Papa einen Kuss, was recht ungelenk aussieht. Er hat immer noch das Tablett in der Hand. Da es keines von den Dingern mit Kissen zum Ausgleichen von Unebenheiten ist, ist er ziemlich ratlos, wo er dieses denn nun abladen soll. Ich drehe mich um und versuche mein Kissen so aufzuschütteln und unterzubauen, dass ich gerade sitzen und das Tablett auf den Schoß nehmen kann. Nun traue ich mich kaum mehr, irgendetwas zu verschieben oder wegzunehmen, damit das Tablett nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Nicht gerade leicht, wenn Zwergnase kraftvoll auf eine Semmel tippt und sie für sich verlangt. Beim Auseinandersäbeln fliegen die Brösel bei aller Vorsicht bis in die letzte Stofffalte. Zwergnase klopft sich die Hände gründlich über meiner Decke ab. Ich sehe mich schon die Betten abziehen. Mit dem Handsauger ist da nicht mehr viel zu retten. Aber wenn die beiden das Frühstück doch schon so liebevoll anrichten, will ich kein Spielverderber sein. Zwergnases Hechtsprung in Richtung meiner Arme sehe ich jedoch nicht kommen. Den Orangensaft und den Kaffee hätte das aber auch nicht mehr gerettet. Jetzt kann man im wahrsten Sinne vom Frühstück im Bett sprechen. Ich springe nur noch auf und versuche zu retten, was nicht zu retten ist. Papa schimpft, Zwergnase weint. Laut. Und will sich unter den verschmutzten Laken verkriechen. Papa zieht ihn hervor und schimpft. Zwergnase weint. Lauter. |
Die Laken bleiben auf dem Bett, ich nehme Zwergnase in die Arme und tröste ihn. Natürlich hat er das nicht gewollt. Schnief, schnief. Er macht das nie wieder. Schnief, schnief. Ich lenke ihn ab, als ich nach seinem Geschenk frage, dass er mir schon seit Tagen überreichen will. Ein letzter inbrünstiger Schniefer und er läuft los. Stolz überreicht er mir sein Päckchen aus durchsichtiger Geschenkfolie mit einer schönen Schleife dran. Wir ziehen sie gemeinsam auf und entknistern das Geschenk. Es ist ein liebevoll geformter... Batzen. Aus ausgetrockneter oder gehärteter Knete oder weiß der Geier. Bitte lass es keine getrockneten Hasenköttel sein. Ich versuche mich noch selbst davon zu überzeugen, dass es sich bei dem Geschenk um eine Form von moderner Kunst handeln muss, als die Frage kommt, die ich schon fürchtete, als ich selbst noch gar nicht Mama war. "Und? Mama? Erkennst du es? Das hab ich für dich gemacht!"
Ich kann doch das Selbstvertrauen eines Dreijährigen nicht zerstören, indem ich ihm sage, dass ich nicht gedenke, dieses scheußliche Ding länger als eine Woche in den Schrank zu stellen. Ob es ihn tröstet, wenn er weiß, dass seine Mama auch noch nie basteln konnte? Ich verwerfe den Gedanken wieder und entscheide mich für einen Lügen-Klassiker: "Ohhhh, das hast du aber schön gemacht!" Das Kind strahlt und ist stolz. Harte Lektionen kommen ja noch genug. Zum Beispiel, dass Frühstück im Bett eine Menge Dreckwäsche produziert.
"Mama! Wach auf! Es ist doch Muttertag! Ich will zu dir!" weckte mich recht unsanft. Ich brauchte einen kurzen Moment, bis ich kapierte, was los war. Ich hatte alles nur geträumt! Kein Frühstück im Bett, keine dreckige Bettwäsche und kein schrumpeliges Etwas als Muttertagsgeschenk. Vor lauter Erleichterung knutschte ich Zwergnase von oben bis unten ab, ehe er sich in meinen Arm kuschelte. Mein Mann lag immer noch friedlich vor sich hin schnarchend neben uns. Kein Frühstück im Bett in Sicht. Als ich einige Zeit später aufstand, stand mein Kaffee schon auf meinem Platz in der Küche und Zwergnase brachte mir aufgeregt sein in Geschenkfolie verpacktes Muttertagsgeschenk, das er im Kindergarten gebastelt hatte. Es war ein mit einer filigranen Farbtechnik verziertes Weinglas mit einem süßen Bild von Zwergnase am Boden, befüllt mit Sand und Teelicht, wie man es zuweilen in Möbelhäusern als Deko ausgestellt sieht. Das Geschenk hatte ich ja längst gesehen, als ich den Zwerg die Tage zuvor aus dem Kindergarten abgeholt hatte. Die Betreuerinnen hatten mir sogar schon erklärt, dass Zwergnase die Verzierung wirklich selbst gemacht hatte und ganz gefesselt vor dem Glas gesessen war. Und ich hatte mich bei ihnen bedankt, dass sie wirklich tolle Geschenke basteln lassen, die man sich gerne in den Schrank stellt, weil sie eben nicht nur mit Liebe gemacht sind, sondern auch noch gut aussehen.
Das Lob über das Muttertagsgeschenk kam daher aus vollem Herzen und war vollkommen ehrlich.
Ein großes Dankeschön deshalb an die Betreuerinnen und den Betreuer in der Schmetterlings-Gruppe des St.-Erasmus-Kindergarten Deggenau für ihre schönen Bastelideen!
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