Direkt zum Hauptbereich

Posts

Ode an den Frühling

Wenn morgens früh der Wecker ringt, der dich um eine Stund' des Schlafes bringt, wenn die Knospen sprießen und Heuschnupfen-Nasen kräftig fließen, der Blütenstaub die Rattanmöbel gelblich färbt, nach dem Gewitter deine Fensterscheiben ziert, dann verfluchst du jedes Frühlingsgedicht, das du jemals in der Schule auswendig lernen musstest. Freilich, hat der Frühling auch seine Vorzüge, raus auf den Balkon und ab in den Garten, die Sonne genießen und sich den ersten Sonnenbrand des Jahres einfangen. Das Beste sind außerdem die Temperaturunterschiede bis zu 25°C, die mir buchstäblich von hinten durch die Brust ins Auge stechen und die Umsätze der Pharmaindustrie für Kopfschmerztabletten in die Höhe treiben. Ja, der Frühling rührt mich zu Tränen, was auch am Zwiebellook liegen könnte. Einmal um die Welt in nur acht Stunden. Starte mit von Eisbären zertifizierten Pullover, mittags feiern wir Karneval in Rio mit Pailletten-Top und Hotpants und sobald sich eine Wolke vor die Sonne schiebt,...
Letzte Posts

Mensch, ärgere dich nicht!

Goldlöckchen lässt die Augenbrauen hüpfen und zieht ein Brettspiel aus dem Schrank. „Bereit für eine Partie Mensch, ärgere dich nicht?“ Mein Kopfkino zeigt einen Katastrophenfilm. Ein Tornado fegt über das Brett, Menschen fliegen durch die Luft und am Ende erledigt ein Tsunami aus Tränen den Rest. Ich schlucke. „Super Idee!“ Während die Kinder sich um die Farben prügeln, bereite ich ihre Niederlage vor: „Denkt daran, der Würfel entscheidet nicht über euer Schicksal, ihr seid schließlich nicht Julius Cäsar. Wenn ihr von hinten erdolcht werdet, macht das nichts. Ihr startet einfach neu.“ „Spawnen. Mama, wir spawnen. Wie in Minecraft!“ Äh, ja genau. Lasst die Spiele beginnen. Zwergnase setzt ein und zieht voran, Goldlöckchen hat beim zweiten Wurf direkt eine Sechs, nochmal eine und aller guten Dinge sind drei. „Achtung, jetzt komme ich!“ Ich würfele. Eine Drei. Ok. Eine Eins. Ganz knapp daneben. Aber der dritte Wurf... ist eine Fünf. Goldlöckchen greift nach dem Würfel und dreht ihn. „Als...

Licht aus, Sonnenbrille auf

Mit Daumen und Mittelfinger fahre ich mir über die geschlossenen Lider. Vielleicht sehe ich nicht richtig? Doch. Da steht das Einmachglas. Hoch und schmal, mit grünem Schraubdeckel und grünem Etikett. Ich nehme es aus dem Regal, wiege es in der Hand. Wenn ich das Glas jetzt einfach fallen ließe? Nein.  Das geht doch nicht. Das macht man nicht.  Ich stelle das Glas zurück und starre es an. Wer kennt es nicht? Das Gelüst auf Geschmack und Konsistenz von Pappstrohhalmen nach sechs Stunden Kindergeburtstag? Wenn ich sowas nach Hause schleppe, kann ich auch im Tunnel Sonnenbrille tragen und mich beschweren, dass es so finster ist. Zappenduster ist es da! Wie kann man nur Spargel im Glas kaufen? Welchem Gericht verleiht ausgerechnet Spargel im Glas die fehlende Finesse? Kann mir das bitte jemand sagen? Wäre auch ein bisschen dringend, weil das Spargelglas in meinem Vorratsregal schon 2023 abgelaufen ist.

Die Küchenschlacht

Teller, Tassen, Schüsseln, Gewürze und Töpfe stapeln sich auf der Arbeitsfläche und dem Küchentisch. Goldlöckchen linst zur Tür herein, macht auf der Stelle kehrt und erstattet dem Rest der Mannschaft Bericht. Alarmstufe rot! Die Küche ist Sperrgebiet! Kontaktaufnahme mit Mama nicht möglich! Der Göttergatte packt die Kinder ein und evakuiert zur Schwiegermutter. Als die Familie zurückkehrt, scheint alles ruhig. Ich liege mit hoch gelegten Füßen auf der Couch. Der Göttergatte traut dem Frieden nicht. Schon auf der Arbeitsfläche sind Veränderungen zu erkennen. Die Kaffeemaschine hat die Seite gewechselt. "Kinder, helft den Tisch für die Brotzeit decken!" Er öffnet den ersten Schrank und macht ihn wieder zu. Die Teller werden vermisst. Goldlöckchen zieht die Besteckschublade auf. "Hä? Wo sind die Messer?" Ich verdrehe die Augen, versammle die Mannschaft und gebe eine Einweisung. Die Tassen und Teller orientieren sich an der Kaffeemaschine, das Besteck musste sich aufte...

Schrödingers Gutschein

Bei The Big Bang Theory schaut Mathe und Physik immer so einfach aus. Nie hätte ich gedacht, selbst einmal auf ein Phänomen zu stoßen, das die Welt revolutionieren könnte. Doch genau das ist geschehen! Ich bin da etwas ganz Großem auf der Spur... Alles begann ganz harmlos damit, dass ich von meiner Schwiegermutter einen Gutschein mit den Worten "Gönn dir was Schönes!" geschenkt bekam. Im Gegensatz zu Bargeld, das erst in Lichtgeschwindigkeit im Geldbeutel verschwindet, um dann wie eine Sternschnuppe für Klopapier und Zahnpasta zu verglühen, ist ein Gutschein dazu in der Lage, den Aggregatszustand eines Wunsches von Schall und Rauch in eine feste Masse zu verwandeln. It's magic! Ich saß also abends auf der Couch und scrollte planlos durch den Online-Shop, bis mir einfiel, dass ich ich schon lange dieses eine E-Book haben wollte, das mir bisher immer zu teuer war. Blöd nur, dass mein Gutschein in den unendlichen Weiten meiner Küchenschublade feststeckte. Leider war es mir a...

Willi, der kleine Weihnachtsbaum

Willi freut sich. Er reckt jeden seiner Äste von sich und schüttelt die Schneeschicht ab, die sich über Nacht wie Puderzucker über seine Zweige gelegt hat. Jeder soll sehen können, was für eine prächtige Nordmanntanne er ist. Er ist der perfekte Weihnachtsbaum. Es ist der Tag vor Heilig Abend. Heute lernt er die Familie kennen, mit der Willi das Weihnachtsfest verbringen darf, da ist er sich sicher. Schon stapft Bauer Heinrich zu dem Metalltor des kleinen Christbaumverkaufs. Er löst die schwere Kette und schiebt das Tor weit auf. Einige Autos warten schon und fahren auf den Parkplatz. Sie sind bunt wie Christbaumkugeln. Willi überlegt, in welchem Auto er mitfahren wird. Vielleicht in dem blauen? Oder in dem grünen? Er kann es kaum erwarten, mit roten und goldenen Kugeln geschmückt zu werden. Wird er eine Spitze oder einen Stern als Krone aufgesetzt bekommen? Willi fühlt schon die Geschenke, die von unten an seinen Zweigen kitzeln und wie sich seine Lichter in den Augen der Kinder spieg...

Timing ist alles

Es gibt immer einen Grund, keinen Sport zu machen. Der aktuelle Wetterbericht macht es einem zusammen mit den hoch präzisen Prognosen des Regenradars da ziemlich leicht. Als ich um 10 Uhr aus dem Fenster sehe, scheint die Sonne, am fernen Horizont sind ein paar Wölkchen zu sehen. Ich ahne es bereits, so kündigt sich der meteorologische Weltuntergang an. Ich trinke sicherheitshalber noch einen Cappuccino und verschiebe meinen Spaziergang auf die postapokalyptischen Stunden des Tages. Sicher ist sicher. Um 13 Uhr wirbelt der wüstentrockene Blütenstaub auf dem Balkon in kleinen Mini-Tornados von links nach rechts und wieder zurück, der Wind treibt regenschwere, schwarze Wolken vor sich her. Zufrieden mit meiner Entscheidung nippe ich an meinem Weihnachtstee mit Glühwein-Aroma und beobachte das nicht stattfindende Spektakel. Erwartungen sind des Glückes Tod. Gegen 16 Uhr checke ich erneut das Regenradar. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei enttäuschenden 40 Prozent, selbst die Wolken si...