Nach dem üblichen Geplauder über mein Befinden bittet mich die Ärztin zum Ultraschall. Das Gel lässt mich frösteln, doch nur kurz, dann wandert mein Blick auf den Bildschirm. Viel erkenne ich nicht. Je nachdem, wie die Ärztin den Ultraschallkopf hält, mal ein Ärmchen oder ein Beinchen. Aber die meiste Zeit versucht sie den Kopf einzufangen. Es steht der große Organultraschall zur Mitte der Schwangerschaft an. Arbeiten die Organe richtig? Sind sie richtig ausgebildet? Haben sie die richtige Größe?
Ich sage nichts, um die Ärztin bei der Untersuchung nicht zu stören. Doch erfasst mich eine gewisse Unruhe. Im Allgemeinen zeigt sie mit dem Finger auf den Monitor, um zu erklären, was man erkennen kann. Heute aber schweigt sie beharrlich. Irgendwann halte ich die Stille nicht mehr aus. Ich teile ihr mit, dass mich beunruhigt, wenn sie nichts sagt. Ich reiße sie aus der Konzentration. Sie murmelt etwas davon, dass der Kopf sehr tief säße und sie das Kleinhirn nicht finde. Ein Pedal klickt, sie zieht die Messfunktion über den Bildschirm. Alles geht so schnell, dass ich die Auswertung nicht erkennen kann. Ich sehe nur, dass sie mehrmals die gleichen Bereiche misst und scheinbar unzufrieden ist. Schließlich sagt sie, dass Herz, Blase und Magen zeitgerecht entwickelt seien und arbeiten, dass der Oberschenkelknochen und der Oberarmknochen die richtige Länge hätten. Wären sie zu kurz, sei dies ein Marker für Trisomie 21, dem Down-Syndrom. Allerdings läge die Größe des Kleinhirns und der Bauchumfang um zwei Wochen zurück. Es ist kein Down-Syndrom, dringt als gute Nachricht durch die Watte, die sich plötzlich über meine Ohren gelegt hat. Die Watte, die den Gedanken verdeckt, dass es auch eine schlechte Nachricht gibt.
Während sie weitermisst und ihre Untersuchung wiederholt, frage ich vollkommen sachlich, woran dieser Entwicklungsrückstand liegen könne und was diese Diagnose denn heiße. Ich weise sie auf meinen gesunden Lebensstil hin. Dass Stupsnase sich bereits zu festen Zeiten bemerkbar macht und die Tritte immer kräftiger werden. Es gäbe keine organische Erklärung, alles andere sehe so aus, wie es soll, meint sie. Dass ich nicht rauche und trinke, sieht man an der sauberen Plazenta. Sie könne sich auch nicht erklären, warum die Werte nicht passten. Es könne ganz einfach möglich sein, dass der entsprechende Wachstumsschub einfach noch ausstünde und ein Ultraschall eine Woche später völlig normal sein könnte. Ich nicke und frage sicherheitshalber noch einmal nach. Dieses Ergebnis bedeutet noch überhaupt nichts. Die Untersuchung muss einfach wiederholt werden.
Als ich mich anziehe, kramt die Ärztin Broschüren von verschiedenen Praxen heraus, die Feindiagnostik anbieten. Mit Hilfe eines besseren Ultraschall-Geräts können mögliche Fehlbildungen besser untersucht werden. Als sie fragt, ob ich die Möglichkeit habe, heute noch nach Regensburg oder München zu fahren, damit eine zeitnahe Abklärung erfolgen könne, nicke ich benommen. Ich hatte mit einem Kontrolltermin in der nächsten Woche gerechnet. Nicht damit, dass es so dringend sei. Der Befund heute sei doch nicht ausschlaggebend. Warum drängt dann die Zeit so? Und da bahnen sich die Tränen ungefragt und ungehindert ihren Weg. Es geht mir doch so gut. Warum muss ich schon wieder in besorgte Gesichter blicken, Ich war felsenfest davon überzeugt, dass diese Schwangerschaft anders als bei Zwergnase verlaufen würde. Besser. Komplikationsfrei. Zorn erfasst mich. Ich will nicht wieder von Termin zu Termin bangen.
Die Ärztin schickt mich zur Blutabnahme, während sie sich um einen Termin bemüht. Ich telefoniere mit meinem Mann und erkläre ihm, dass wir eventuell heute noch nach München müssen. Ich frage meine Mutter, ob sie Zwergnase babysitten könne. Doch dann kommt die Ärztin. Heute, vor den Osterfeiertagen, habe sie niemand mehr erwischt. Am Dienstag nach Ostern können wir in die Frauenklinik an der Maistraße in München. Über die Feiertage befinde ich mich im Wechselbad der Gefühle, von Albträumen über die schlimmsten Diagnosen bis hin zu "Das ist die Übervorsichtigkeit der heutigen Medizin" mache ich alle Nuancen durch. Natürlich glaube ich daran, dass alles gut ist. Was soll ich auch sonst machen? Ändern kann ich eine Diagnose ohnehin nicht, also muss ich einfach vom Besten ausgehen. Doch das ist im Hormonchaos leichter gesagt, als getan.
Als wir am Dienstag das Untersuchungszimmer betreten, entschuldigt sich die Ärztin erst einmal dafür, dass das Feindiagnostik-Gerät defekt ist. Es sei einen Tag zuvor einfach in Rauch aufgegangen. Na toll. Mein Mann und ich blicken uns an. Für einen normalen Ultraschall hätten wir nun ja nicht bis nach München gondeln müssen. Doch wir sagen nichts, sondern lassen die Ärztin ihre Untersuchung machen. Auch diese runzelt die Stirn und misst mehrmals Kleinhirn und Bauchumfang. Doch sie lässt uns keine Zeit zum Grübeln. Sie säubert den Schallkopf, hängt ihn ins Gerät und stützt die Arme lässig auf die Knie. Sie wisse ja nicht, wieviel Erfahrung meine Ärztin hätte, meint sie, aber alle Organe, auch Kleinhirn und der Bauchumfang allgemein seien völlig zeitgerecht und unauffällig entwickelt. Es sei alles so, wie es sein soll.
Erleichtert machen wir uns auf den Heimweg. Doch im Zug grübele ich schon darüber, dass es einer Schwangeren heutzutage nicht leicht gemacht wird, einfach nur schwanger und nicht krank zu sein. Jede auch nur noch so kleine Abweichung von der Norm wird kontrolliert, sodass auch ja jeder bei der Krankenkasse abrechnen kann. Zwischen möglichen Diagnosen und Abrechnungsstapeln wird man wahnsinnig gemacht. Wie belastend das sein kann, davon redet kein Arzt.
Ich habe wirklich überlegt, ob ich überhaupt von diesem Ultraschall-Termin berichten soll. Eigentlich wollte ich meine Schwangerschaft im Blog bis zur Geburt nicht erwähnen. Denn aus meiner ersten Schwangerschaft weiß ich, dass Komplikationen sehr plötzlich auftreten können, egal zu welchem Zeitpunkt. Wie heutzutage so üblich, habe ich aber über das Wochenende viel gegoogelt. Vielleicht hilft mein Bericht anderen Frauen. Denn wie meine Recherche ergab, ist der Befund eines zu kleinen Kleinhirns und Bauchumfangs gar nicht einmal so selten, ohne dass tatsächlich eine schlimme Diagnose dahintersteckt. Meistens hat der Wachsstumsschub zum Zeitpunkt des Ultraschalls einfach noch nicht stattgefunden.
Ich kann mir vorstellen, dass du scheußliche Ostern hattest und dir dann danach diverse Felsbrocken vom Herzen gefallen sind.
AntwortenLöschenAlles Gute für den weiteren Verlauf wünsche ich dir!
(wird es nch Zwergnase ein Zweitzwerg? ;-)) )
Zwergnase bekommt als Geschwisterkind ne Stupsnase ;)
LöschenOh mann, hatte ja keine ahnung... Knuddel!
AntwortenLöschen